Von der Fluchtdistanz der Reiher und der Ignoranz der Menschen außerhalb meiner eigenen Blase

Luftdruck in Berlin 757 Bar. Saharastaub dämpft das Licht. Er liegt stumpf auf den Lackschichten der Autos. Nachtigall- und Mönchsgrasmückengesang irritieren den Hörer. Zu früh, um die Botschaft zu glauben. Tagetes keimen nach vier Tagen. Ein Eichhörnchen lässt sich aus dem Essigbaum nicht mehr vertreiben. Waldbrettspiele suchen Gras. Die Nachbarin sagt, die Weide macht Dreck, der sich in der Lüftung ihres Autos festsetzt. Die Weide wünscht sie sich weg. Im Gegenzug trete ich den Grünen bei. Zwei Graugänse brüten stur auf der Weide, auf der keine Kühe grasen, aber Hunde rasen. Anderenorts haben Graugänse bereits Küken, aber ich nur das kleine Teleobjektiv aufgespannt.

Die Stare entschwärmen sich im Streit. Im Buchladen findet sich trotz Fernglas kein gutes Buch als Geschenk für die Kollegin. Auf einer Bank sitzen zwei junge Frauen oder Mädchen, was ohne Defintion schwer zu entscheiden ist: Wann ist ein Mädchen eine junge Frau. Das frage ich mich nur, weil ich mich wundere, dass sie den Graureiher nicht bemerken oder ihnen dieser Teil der Gegenwart egal ist.

Graureiher haben eine hohe Fluchtdistanz. Fünfzig Meter weiter greife in die Bremsen. Der nächste Reiher, der kaum habe ich ihn im Fokus, auch flüchtet.

Doch da ist noch einer, den ich erst bemerke, als der andere entflogen war. Der hält in Ruhe Ausschau.

In meinem Rücken Nordic Walker. Ich sehe die mächtigen Füße des Reihers und bewundere die geräuschlose Eleganz dieser Vögel im Kontrast zum Klacken der Stöcke der keuchenden Passanten. Ein Junge fragt seine Mutter: „Was gibt es da zu sehen?“ Die Mutter im Ton der Selbstverständlichkeit: „Wasser. Und Entengrütze.“ Fort sind sie, doch der Reiher linst immer noch auf der Suche nach einem Fang. Dann ist der Akku der Kamera leer.

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